Exkursion

In der Forschungsumgebung sind diverse Angaben zur Herkunft der in der Brandenburgisch-Preußischen Kunstkammer gesammelten Objekte abrufbar und über die Detailsuche auffindbar. Allesamt basieren sie auf den im Forschungsprojekt ausgewerteten Quellen, die von Handschriften des 17. Jahrhunderts bis zu Objektdatenbanken heutiger Museen reichen. Die Informationen zur Provenienz umfassen sowohl naturwissenschaftliche Fundortangaben als auch mit anderen Sammlungen sowie Einzelpersonen verbundene Angaben zur Aneignung der Objekte.

Der Fokus liegt auf dem Weg der Objekte in die Kunstkammer im Berliner Schloss. Vereinzelt erlauben Hinweise wie die Provenienzangabe „Kgl. Kunstkammer“ in den Sammlungskatalogen und auf den Etiketten des Zoologischen Museums jedoch auch den Blick auf die Objektwege aus der Kunstkammer in andere Institutionen. 

Die Eingangsbücher der späten 1680er und frühen 1690er Jahre geben Auskunft zu früheren Standorten, beispielsweise der „Schilderey Cammer“, sowie zu Vorbesitzer*innen und Zuträger*innen, welche die Objekte bei den Verwaltern der Kunstkammer einlieferten. Namentlich genannt werden in diesen Quellen vor allem Personen mit höfischen Beziehungen oder Amtsträger. Vereinzelt wird auch der Kurfürst selbst als Sammler sichtbar. Nur in wenigen Fällen lassen sich die Personen näher identifizieren. Von Elias Hesse, der im März 1692 u. a. ein „Pulferhorn“ und „ein Büchlein darin Unterschiedlich Indianische Nations abgezeichnet“ für die Kunstkammer einlieferte [1], ist bekannt, dass er im Dienst der Niederländischen Ostindien-Kompanie über das Kap der Guten Hoffnung nach Sumatra gereist war.[2] 

Über andere Vorbesitzer*innen werden anhand von Namen und Titel die Verflechtungen der Berliner Kunstkammer sichtbar. Das Reisecembalo der Herzogin von Orléans und das von Nonnen in Kalkar gestickte Königliche Preußische Wappen verorten Preußen im frühneuzeitlichen europäischen Herrschaftsgefüge. Räumlich und dynastisch näher liegende Orte werden dabei in den historischen Verzeichnissen und Reiseberichten weitaus differenzierter benannt als weit entfernt liegende Gebiete, die wie Afrika oder West-Indien eher pauschal und oft mit Fremdbezeichnung aufgeführt wurden.

In den frühneuzeitlichen Eingangsbüchern der Kunstkammer wurden Angaben über die Herkunftsregionen der Objekte, wie beispielsweise für Porzellanerde aus China und Baumwolle aus Indien, nur gelegentlich verzeichnet. Systematisch aufgenommen wurden derartige Herkunfts- bzw. Fundortangaben erst in den Sammlungskatalogen des 19. Jahrhunderts, auf denen heutige Museumsdatenbanken aufbauen. Dort verzeichnete und seitdem durch die kunsthistorische Forschung überarbeitete Angaben erlauben so beispielsweise die stilistische Verortung von Artefakten in die künstlerische Produktion in Nürnberg in der Zeit um 1600, nach Augsburg in der Zeit um 1700 oder in die Niederlande der 1470er Jahre. So gibt die Provenienzangabe zum Trinkgefäß aus Zebuhorn Auskunft über den (wahrscheinlichen) Herstellungsort des Objekts, zur Herkunft des Materials schweigen die Quellen jedoch. Historische Sammlungskataloge transportieren dabei Ortsangaben, die sich auf heute nicht mehr existierende politische Einheiten beziehen, oder geben die Fundorte im Verhältnis zu heutiger wissenschaftlicher Verzeichnung nur vage an.

Im Bewusstsein der limitierten Aussagekraft wurden die in den Quellen dokumentierten Herkunftsorte im Rahmen des Forschungsprojekts georeferenziert und lassen sich auch über eine Karte suchen. Historische Ortsbezeichnungen sind dort standardmäßig als Mittelpunkte heutiger Staaten abgebildet und erlauben so einen weiteren Zugang zu den in der Brandenburgisch-Preußischen Kunstkammer gesammelten Objekten und ihrer Geschichte. Tiefergehende Forschungen zu einzelnen Objekten erlauben, die Georeferenzierungen zu präzisieren, ohne dabei etwaige imperiale und koloniale Motive frühneuzeitlicher Herrscher zu wiederholen. Beispielsweise grenzten Ethnolog*innen das Herkunftsgebiet der im 18. Jahrhundert in der Berliner Kunstkammer ausgestellten „Zauber Trommel“ auf die nordskandinavische Region zwischen den Flüssen Piteälven im Norden und Umeälven im Süden ein, in der umesámische Sprache gesprochen wird. Statt also mit dem Mittelpunkt des heutigen schwedischen Nationalstaats die imperialen Ambitionen eines frühneuzeitlichen Königreichs zu wiederholen, wurde die Herkunft des Objekts auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse erfasst und auf der Karte visualisiert.

Meike Knittel

 

[1] Eingangsbuch 1688/1692b, fol. 25r.

[2] Hesse 1690 - Ost-Indische Reise-Beschreibung Oder Diarium, Was bey der Reise des Churfürstl. Sächs. Raths und Bergk-Commissarii D. Benjamin Olitschens/ im Jahr 1680. Von Dreßden aus biß in Asiam auff die Insul Sumatra Denckwürdiges vorgegangen / auffgezeichnet von Elias Hessen, Leipzig/Dresden 1690, online unter: http://dx.doi.org/10.25673/opendata2-30546

 

Nähere Einblicke zum Thema liefert 

Meike Knittel: Goldstufe aus Sumatra – Von Reichtum und Ausbeutung (in: Die Berliner Kunstkammer. Sammlungsgeschichte in Objektbiografien vom 16. bis 21. Jahrhundert, Petersberg 2023).